Präventivhaft ist mit der Verfassung derzeit nicht vereinbar

Von: Manfred Herrnhofer - Der Ruf nach einer Einschränkung der Grundrechte als notwendiges Mittel zur Gefahrenabwehr ertönt regelmäßig nach spektakulären Attentaten, wie etwa in Dornbirn und zuletzt in Wien. Die Einführung einer Sicherungshaft für potentiell gefährliche Asylwerber und nunmehr die Diskussion über eine „Präventivhaft“ für „Gefährder“ verfolgen zwar den legitimen Zweck, die Allgemeinheit zu schützen. Mit der geltenden Verfassungslage ist dies nicht vereinbar.

Die mühsam durch mehrere Jahrhunderte erkämpften Grund – und Freiheitsrechte, die den Einzelnen vor staatlicher Willkür schützen sollen, legen die Regeln für den Entzug der persönlichen Freiheit klar und unmissverständlich fest: Nach einer gerichtlichen Verurteilung wegen einer Straftat ist der Vollzug einer Strafhaft zulässig. Eine rechtmäßige Festnahme kann außerdem wegen eines hinreichenden Tatverdachts und bei Vorliegen bestimmter Haftgründe erfolgen; über die Untersuchungshaft entscheidet ein unabhängiges Gericht. Zudem ist die Inhaftierung beispielsweise zur Sicherung eines Ausweisungsverfahrens zulässig (Schubhaft).

„Nachdenken, ehe wir die Freiheit einschränken“

Dem Vorschlag, „potentielle Gefährder“ in den Maßnahmenvollzug zu nehmen, um sie „lebenslang“ wegzusperren, ist entgegenzuhalten, dass nach der geltenden Rechtslage als Grundvoraussetzung die Begehung einer Straftat mit mehr als einem Jahr Strafdrohung vorliegen muss und dieses Instrument daher als Präventivmaßnahme nicht in Frage kommt.

Natürlich steht es dem Gesetzgeber offen, die bestehende Rechtslage zu ändern. Auch die Europäische Menschenrechtskonvention hält ausdrücklich fest, dass Freiheiten auch Pflichten und Verantwortung mit sich bringen und Grundrechte per Gesetz aus bestimmten Gründen (etwa Schutz der öffentlichen Ordnung oder der Gesundheit) eingeschränkt werden können, wenn dies notwendig ist und keine anderen Mittel zur Verfügung stehen.

Über die Wahl der Mittel und die Voraussetzungen ihrer Anwendung sollten wir aber intensiv nachdenken, ehe wir ein zentrales Grundrecht wie die persönliche Freiheit dauerhaft einschränken.

 

Initiative als „Watchdog“

Die „Initiative für Grund- und Freiheitsrechte“ besteht aus Juristinnen und Juristen und anderen Personen des öffentlichen Lebens in Kärnten. Sie will die allgemeine Wachsamkeit in Bezug auf Grund- und Freiheitsrechte aufrechterhalten und in diesem Zusammenhang eine möglichst breite Debatte zu unterschiedlichen Themen anregen.

Die parteiunabhängige Plattform versteht sich jedenfalls nicht als Interessenvertretung irgendeiner Gruppierung. Sie ist auch keine Institution, die Einzelpersonen oder Gruppen für Rechtsberatung zur Verfügung steht. Die Initiative will vielmehr langfristig als „Watchdog“ tätig sein und über den Weg der Kommunikation zu einer breiten inhaltlichen Auseinandersetzung mit den relevanten Themen beitragen. Die Gruppe besteht aus folgenden Personen: Gerhard Baumgartner, Bernhard Fink, Mathis Fister, Felix Fuchs, Peter Haas, Ferdinand Hafner, Manfred Herrnhofer, Akiko Kropfitsch, Christian Liebhauser-Karl, Gernot Murko, Christof Pollak, Sabine Roßmann sowie Franz Tomažič. Die Genannten agieren im Rahmen der Initiative als Privatpersonen und ehrenamtlich.