Corona-Tests und ärztliche Heilbehandlung - viele offene Rechtsfragen

Von: Christof Pollak - Die (Massen)Testung an Schulen wird von Aufforderungen an Eltern unter 14-jähriger Kinder begleitet, Einverständniserklärungen für Antigen-Schnelltests zu unter-zeichnen. Auf ein Informationsschreiben wird verwiesen. Die Rechtswirksamkeit einer Einwilligung in die ärztliche Heilbehandlung – wozu auch die Diagnose zählt – bedarf aber einer Anamnese und einer Aufklärung. Die derzeitige Praxis wirft viele rechtliche und sachliche Fragen auf.

Ärztliche Heilbehandlung und Aufklärung, im Lichte der Rechtsprechung

Jede ärztliche Heilbehandlung, die ohne Einwilligung des Patienten geschieht, ist rechtswidrig. Dies ist Folge des absolut geschützten Rechtsgutes der körperlichen Unversehrtheit des Menschen. Somit ist auch jeder urteils- und einsichtsfähige Mensch gesundheitlich selbstbestimmt. Daher können etwa einsichts- und urteilsfähige Jugendliche (in der Regel ab 14 Jahren, wobei eine Einzelfallprüfung vorzunehmen ist) nur selbst in medizinische Heilbehandlungen einwilligen. Bis zu diesem Zeitpunkt entscheiden dies die Obsorgeberechtigten (in der Regel die Eltern).

Zwar können nach Maßgabe des Epidemiegesetzes (§ 5 Abs 1 Epidemiegesetz 1950, BGBl. Nr. 186/1950 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 104/2020) Menschen auch verpflichtet werden, „sich den notwendigen ärztlichen Untersuchungen sowie der Entnahme von Untersuchungsmaterial zu unterziehen“, sofern sie krank sind, krankheitsverdächtig oder ansteckungsverdächtig, doch gelten für die gesamte – angeordnete – medizinische Heilbehandlung auch die allgemeinen zivil- und strafrechtlichen Regeln. Die gesetzliche Regelung stellt mit ihrem Wortlaut aber auch klar, dass gesunde, nicht krankheitsverdächtige oder nicht ansteckungsverdächtige Personen nicht dazu verhalten werden können, sich einem zwangsweisen Test zu unterziehen. Die Beweislast für den Krankheitsverdacht oder Ansteckungsverdacht liegt jedenfalls beim Staat.

Eine ärztliche Heilbehandlung umfasst allgemein – in zeitlicher Abfolge – die Anamnese, Aufklärung, Diagnose, Beratung, Therapie/Prophylaxe, Nachbehandlung und Dokumentation. Unzweifelhaft dienen Covid-19-Tests der Diagnose einer Infektion mit einem Erreger einer – als Pandemie eingestuften – besonders gefährlichen Krankheit und fallen damit unter den Begriff der ärztlichen Heilbehandlung.

Aus einer Diagnose ergeben sich – nach Maßgabe ihrer Richtigkeit – weitreichende therapeutische und prophylaktische Folgeentscheidungen – und zwar im Fall von Covid‑19 nicht bloß für den unmittelbaren Patienten, sondern für sein gesamtes Umfeld.

Die Rechtsprechung geht nur dann von einer rechtswirksamen Einwilligung aus, wenn in einem unmittelbaren Arzt-Patienten-Gespräch, nach erfolgter Anamnese (Erhebung gesundheitsbezogener Informationen über den Patienten), eine sach- und fachgerechte, dem Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechende Diagnose gestellt wird und der Patient über die zur Verfügung stehenden Behandlungsmöglichkeiten, deren Chancen, Risiken, Vor- und Nachteile, Kosten und Dauer im Bilde ist. Dieser gesamte Vorgang wird unter dem Begriff der Aufklärung zusammengefasst. Der Patient hat auch eine Mitwirkungsobliegenheit. Das bedeutet, verschweigt er dem Arzt bestimmte Umstände, die sich nachträglich als problematisch herausstellen, trägt der Patient die selbst verschuldeten Folgen auch selbst. Gleichermaßen gilt dies, wenn auf die Aufklärung ganz bewusst verzichtet wird. Hat er aber diese Informationen gar nicht, weil sie z.B. nur die Eltern wissen, oder erachtet er sie mangels Reife für nicht relevant, ergibt sich eine nicht unproblematische Situation.

Für die unterlassene oder fehlerhafte Aufklärung haftet nämlich der Arzt oder der Rechtsträger zivilrechtlich und unter Umständen auch strafrechtlich. Die primäre Beweislast trifft den Arzt. Alle Behandlungsschritte sind zu dokumentieren. Der Patient hat ein uneingeschränktes Auskunftsrecht über seine Patientenakte.

Hinzuweisen ist schließlich auch darauf, dass die Einwilligung in die ärztliche Heilbehandlung und die – auch zur Behandlung erforderliche – Zustimmung zum Abschluss eines Behandlungsvertrages samt allen Folgewirkungen auseinanderfallen können.

Bezogen auf den hier beschriebenen Fall der Corona-Testung von Kindern ohne die Anwesenheit der Eltern ergeben sich folgende Probleme und Fragen:

  • Eine behördlich angeordnete Testung darf nur im Falle konkreter Verdachtsmomente einer Ansteckung oder einer Krankheit erfolgen; ob zur konkreten Verdachtsklärung und Beweisführung die Angaben eines mündigen minderjährigen Schülers (in der Regel 14+) ausreichen, wird eine Frage des Einzelfalles sein.
  • Der Test darf als medizinische Diagnose nur von einem Arzt oder, je nach Test,  unter seiner Oberaufsicht vorgenommen/abgenommen werden.
  • Nur so ist nämlich – neben arztrechtlichen Fragestellungen – sichergestellt, dass das zur Anamnese, Aufklärung, Beratung erforderliche Arzt-Patienten-Gespräch auch tatsächlich geführt werden kann.
  • Auch nur so kann sichergestellt werden, dass die Frage der Einsichts- und Urteilsfähigkeit eindeutig geklärt ist und damit keine rechtswidrige Behandlung erfolgt.
  • Das Gespräch wird sinnvollerweise nur im Beisein der Eltern (Erziehungsberechtigten) erfolgen können, da meistens nur diese Kenntnis über die umfassende anamnestische Situation haben.
  • Jeder Arzt hat den Patienten über die Vor- und Nachteile des bei ihm durchgeführten Tests (Antigentest, Antikörpertest oder PCR-Test) Ergebnissicherheit, Kosten, Risiken etc. aufzuklären. Die Entscheidung, welchen Test der Patient bei sich durchführen lässt, liegt – mangels gesetzlicher Vorgaben – ausschließlich beim Patienten, also bei unmündigen Kindern in der Regel bei den Eltern.
  • Für Aufklärungs-, Diagnose- und Beratungsfehler haftet der Arzt oder Rechtsträger nach den allgemeinen Regeln ([Schaden,] Kausalität, Verschulden, Rechtswidrigkeit); dies betrifft auch Entscheidungen aufgrund fehlerhaft durch-geführter Tests und unterlassener Durchführung des richtigen Tests.
  • Jeder Patient hat das Recht auf Einsicht in seine Patienteninformationen, wozu auch das konkrete Testergebnis gehört, das dem Patienten nicht bloß telefonisch, sondern – jedenfalls über sein Verlangen – auch schriftlich mitzuteilen ist.
  • Gefragt werden muss weiters: Welche Konsequenzen haben falsch positive Tests und falsch negative Tests, wenn
    a.) die Testung fehlerhaft, weil unsachgemäß war?
    b.) nicht der beste und exakteste am Markt verfügbare Test (Stand der medizinischen Wissenschaft) angeordnet wurde?

Zu denken wäre vor allem bei falsch negativen Tests an Schadenersatzansprüche der dann unnötigerweise angesteckten und zu Schaden oder gar zu Tode gekommenen Personen. Denkbar sind aber auch Schadenersatzansprüche von falsch positiv getesteten Personen, die aufgrund von Quarantäne (zu Unrecht angeordnete freiheitsbeschränkende Maßnahme) und Isolation (psychische) Schäden davontragen oder deren Familie Einkommensverluste erleidet.

Die von der Politik eingeforderte Mitwirkung der Bevölkerung an der Umsetzung der verordneten Maßnahmen und der Teststrategie ist nur zu erreichen, wenn gerade der hochsensible Bereich der Selbstbestimmtheit über den eigenen Körper und die Patientenrechte unangetastet bleiben. Die Initiative für Grund- und Freiheitsrechte fordert vor dem Hintergrund der aktuell beabsichtigten flächendeckenden Tests daher eine kritische und offene Auseinandersetzung mit diesen stark grundrechtsbezogenen Rechts- und Tatsachenfragen und die Einhaltung des in Österreich geltenden Standards an Grund- und Freiheitsrechten sowie der Patientenrechte.