Besuchsverbot in Krankenhäusern und Pflegeheimen: Ohne ausreichende gesetzliche Grundlage

Von: Bernhard Fink - Das Besuchsverbot in Krankenhäusern und Pflegeheimen hat nach Meinung der „Initiative für Grund- und Freiheitsrechte“ keine ausreichende gesetzliche Grundlage. Mehr noch: Es gilt die Rechtsauffassung, dass Patienten und Heimbewohner das Recht haben, im Krankenhaus oder im Pflegeheim Besuch zu empfangen. Dieses Recht ist vom Träger der Einrichtung zu gewährleisten, auch wenn es unter Umständen einen erhöhten oder gar sehr hohen Aufwand bedeutet.

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Am 12.03.2020 wurde in diversen Medien berichtet, dass in Wien, der Steiermark, dem Burgenland, Oberösterreich, Niederösterreich, Kärnten und Tirol „Besuchsverbote“ in Spitälern verhängt wurden. Das Gesundheitsministerium betonte allerdings gleichzeitig, dass es sich bei der dazu abgegebenen Empfehlung nicht um ein dezidiertes Verbot handelt. Die Empfehlungen sollten von den zuständigen Stellen der Länder an die Träger der Einrichtungen weitergegeben und von diesen dann umgesetzt werden. Um dieser formlosen Empfehlung zu entsprechen, reagierten in den darauffolgenden Tagen die einzelnen Bundesländer sukzessive mit unterschiedlichen Durchsetzungsvarianten.

In Oberösterreich erging am 12.03.2020 ein so bezeichneter Erlass der Gesundheitsdirektion der oberösterreichischen Landesregierung an alle Alten- und Pflegeheime. Darin wird ausgeführt, dass ab dem darauffolgenden Tag ein absolutes Besuchsverbot gelte, dessen Einhaltung die Träger der Einrichtungen sicherzustellen hätten. In der Steiermark wurde nach der Empfehlung des Vorstands der KAGes an die jeweiligen Spitalsleitungen von der Gesundheitslandesrätin die Empfehlung abgegeben, Besuche von Angehörigen in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen nach Möglichkeit zu unterlassen. Im Burgenland reagierte die KRAGES mit einem Besuchsverbot in Krankenhäusern und Pflegeheimen ab 13.03.2020. In Tirol erging am 12.03.2020 ein Schreiben des Gesundheitslandesrates an alle Tiroler Wohn- und Pflegeheime. Das Land Tirol empfahl darin den Einrichtungen, die Besuche zu beschränken und der Gesundheitslandesrat verkündete, dass ein Zutritt zu Pflegeheimen nur in begründeten Ausnahmefällen zulässig sei. Am 13.03.2020 wurde auch in Kärnten von der Landeshauptmannstellvertreterin Prettner gemeinsam mit der KABEG in Spitälern ein generelles Besuchsverbot gemäß den Empfehlungen des Bundeministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz ausgesprochen. Die jeweilige Rechtsgrundlage dafür blieb mehr als nur unklar.

Keine gesetzliche Grundlage

In den Formulierungen der Länder bzw. Krankenanstalten findet sich vielleicht nicht nur deshalb nicht immer dezidiert das Wort „Verbot“. Gemeinsam haben die Aussendungen allerdings, dass keine gesetzlichen Grundlagen, Verordnungen oder bereits existierende Bescheide genannt werden, sondern man beruft sich lediglich auf die Empfehlungen des Bundeministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz.

Die ersten Empfehlungen in schriftlicher Form zu COVID-19 Schutzmaßnahmen in Krankenhäusern wurden vom Gesundheitsministeriums übrigens erst am 31.03.2020 ausgegeben. Auch darin ist nicht von einem Besuchsverbot die Rede, sondern nur vom allgemeinen Ziel, die Besucherzahl so gering wie möglich zu halten.

Am 15.03.2020 wurde das COVID-19-Maßnahmengesetz vom Nationalrat beschlossen. Im Zuge dessen wurde vom Gesundheitsminister eine auf die Ermächtigung des § 1 COVID-19-Maßnahmengesetz gestützte Verordnung betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erlassen, mit der unter anderem das Betreten von Dienstleistungsunternehmen und Gaststätten untersagt wurde. Pflege- und Krankenanstalten waren davon jedoch gemäß §2 Z 5 explizit ausgenommen. Nach den Bestimmungen des COVID-19-Maßnahmengesetz konnte aber durch Verordnung das Betreten von bestimmten Orten untersagt werden, soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist. Derartige Verordnungen hätten vom Landeshauptmann dann erlassen werden können, wenn sich ihre Anwendung auf das gesamte Landesgebiet erstreckt. Einzig und allein das Bundesland Wien hat dann am 14.04.2020 von dieser Ermächtigung Gebrauch gemacht und die Verordnung über ein Betretungsverbot für Besucher von Krankenanstalten, Wohn- und Pflegeheimen sowie Pflegestationen erlassen.

Verfassungswidriger Freiheitsentzug

Die Hausordnung eines Pflegeheims enthält allgemeine Regelungen des Heimbetriebs über das Zusammenleben im Heim für Bewohner, Besucher und Personal. Sie wird aufgrund der Sozialhilfegesetze, Heimgesetze oder Heimverordnungen von den zuständigen Gremien des zuständigen Rechtsträgers eines Heims beschlossen. Über die Hausordnung Besuchsverbote auszusprechen, ist allerdings rechtlich nicht möglich. Ebenso ist es nicht zulässig und damit rechtswidrig, Bewohnern von Pflegeeinrichtungen zu verbieten, das Heimgelände generell, sohin etwa auch für Spaziergänge, Wege zur Post etc. zu verlassen. Dieser Freiheitsentzug in einer derart generellen Form ist verfassungswidrig, unter anderem auch deshalb, weil jede gesetzliche Grundlage dafür fehlte.

Zu den relevanten Heimgesetzen zählt auch das Heimvertragsgesetz, das bestimmte zivilrechtliche Vertragsbeziehungen zwischen den Trägern und den Bewohnern von Altenheimen, Pflegeheimen und anderen Einrichtungen regelt. Grundsätzlich hat jeder Heimvertrag Feststellungen hinsichtlich des Persönlichkeitsrechts des Heimbewohners auf Verkehr mit der Außenwelt und auf Besuch durch Angehörige und Bekannte zu enthalten. Der Gesetzgeber führt dazu aus, dass der Träger der Einrichtung die Persönlichkeitsrechte zu wahren und diese Rechte im Vertrag selbst anzuführen hat. Diese Rechte können nur nach Maßgabe der unerlässlichen Erfordernisse des Heimbetriebs eingeschränkt werden, etwa durch eine Besuchszeitenregelung, die auf die Interessen der übrigen Heimbewohner Bedacht nimmt.

Auch das Sozialministerium sieht in § 21 seines weiterhin auf der Homepage veröffentlichten Musterheimvertrags für Pensionisten-, Alten-, Wohn- und Pflegeheime das Recht der Heim-bewohner auf freien Verkehr mit der Außenwelt und ein Recht auf Besuche durch Angehörige, Bekannte und Nachbarn vor. Der Heimträger hat in seinem Wirkungsbereich besonders für die Wahrung dieser Rechte der Bewohner zu sorgen. Das Wiener Wohn- und Pflegeheimgesetz geht sogar noch weiter und legt für die Bewohner im Rahmen des Rechts auf angemessenen Kontakt zur Außenwelt auch das Recht auf jederzeitigen Empfang von Besuchen unter Rücksichtnahme auf die anderen Bewohner und den Heimbetrieb fest.

Patienten und Heimbewohner haben somit das Recht, im Krankenhaus oder im Pflegeheim Besuch zu empfangen. Dieses Recht ist vom Träger der Einrichtung zu gewährleisten bzw. zu ermöglichen, auch wenn es unter Umständen einen erhöhten oder gar sehr hohen Aufwand bedeutet. Das Recht auf Besuch kann bei unerlässlichen Erfordernissen des Heimbetriebs, wozu wohl auch die Verhütung der Verbreitung von Covid-19 zählt, zwar eingeschränkt, niemals aber gänzlich verboten werden. Gleiches gilt auch für das Verlassen des Heimbereichs. Der Gesetzgeber wird Bewohnern, die durch das generelle Besuchsverbot eine Einschränkung ihres Selbstbestimmungsrechts hinnehmen müssen, jedenfalls eine ausreichende und mit raschem adäquaten Rechtschutz ausgestattete gesetzliche Grundlage bieten müssen, um ihnen Rechtssicherheit zu gewährleisten. Das bislang praktizierte Vorgehen wird jedenfalls den grundrechtlichen Maßstäben nicht gerecht und entspricht auch keinesfalls den rechtsstaatlichen Standards.